I BÜHNEN BAHNEN
Konstantin Parnian Ämtertheater – Die Freie Musiktheaterszene in Berlin
Lauma Mellēna-Bartkeviča Monstera deliciosa – Lettlands Oper des Widerstands zwischen großer Bühne und freier Szene
Kornelius Paede Das uneigentliche Musiktheater? Über digitale Räume im Realen
Patrick Becker Inszenierte Bedeutsamkeit: Musiktheater und Mikrotonalität Teil I
Fabian Czolbe Horror-Opern. Gordon Kampe und Ulrich Kreppein im Gespräch
Jacob Esser Analyse: Kackophonie. Zur Retroperistaltik der Gedärme von Manuel Zwerger
Patrick Becker Sechs Interviews mit einer neuen Generation von Musik-Kuratorinnen
II SPECIAL
Brigitta Muntendorf × Dagmar von der Ahe
III POSITIONEN
68. Biennale di Musica di Venezia; Michel van der Aa, From Dust; Das Libretto im zeitgenössischen Musiktheater; Schwimmbadmusik; Handbuch der Oper; Music for Culture Wars; Seanaps Festival; 7 Mountain Records; ZfGM-Festival Leipzig; Festival Meakusma, Belgien; 67. Warschauer Herbst; dotolim, Seoul; Festival Winter Music; I. Baltic Contemporary Opera Network-Treffen; Donaueschinger Musiktage; Maya Verlaak, Vanishing Point; 50. Festival Zeitgenössischer Musik, Südtirol; Dystopia Sound Art Biennial; Hold the Line & tvvo:id, Kunstquartier Bethanien; Festival Minu, Kopenhagen; Terry Lyne Carrington, New Standards; Musik 21 Festival
»Bühnen bahnen« – aber wohin? Diese Frage stellt sich in einem Jahr, in dem sich vielerorts die Wogen erst glätten müssen: Sparmaßnahmen drohen, etablierte Institutionen wie auch die Freie Szene in prekäre Untiefen zu treiben. Doch keine Sorge: Wenn’s eng wird, werden neue Bühnen vielleicht nicht mehr gebaut, aber immerhin neu gedacht. Und wo das Geld fehlt, hilft die Fantasie.
»Wenn’s um Geld geht«, drehen sich Musikszenen gerade gern nach Berlin, wo arm sein eben nicht mehr sexy ist und Haushaltskürzungen vorexerziert werden, die nichts Gutes erahnen lassen. Wie die Hauptstadt trotz prekärer Bedingungen ein Hotspot experimenteller Bühnenkunst sein kann, zeigt Konstantin Parnian mit seinem Text über die unabhängigen Musiktheaterkollektive an der Spree, die Aufführungsorte erobern und dabei nicht nur künstlerische, sondern auch soziale Grenzen verschieben. Was in Berlin die Freie Szene im städtischen Raum leistet, entfaltet in Lettland eine ganz andere Dynamik – und doch gibt es verblüffende Parallelen: Lauma Mellēna- Bartkeviča zeichnet das Bild einer alternativen Musiktheaterszene in einem Land, das nur über ein einziges großes Opernhaus verfügt.
Angesichts der globalen Herausforderungen im kulturellen Austausch, denen das zeitgenössische Musiktheater heute ausgesetzt ist, fällt es leicht, den Gang ins Digitale als Flucht vor der Wirklichkeit zu sehen. Ob und wie digitale Technologien jenseits von banaler Virtual-Reality-Gimmickry das Musiktheater aber auch erweitern können, fragt Kornelius Paede in seinem Beitrag und lädt dazu ein, es im Computerspiel Der Fall Carmen doch einmal selbst auszuprobieren. Patrick Becker sucht nach der mikrotonalen Musik auf inszenierten Bühnen – hier im ersten Teil bei Alois Hába zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Gar nicht 100 Jahre alt, sondern frisch (an-)gefangen ist wiederum unsere neue Analyse-Sektion: Jacob Esser macht den Auftakt und fragt in seiner Auseinandersetzung mit Manuel Zwergers Gedärme, was diese Kackophonie für hyperpräpariertes Solo-Horn und der Magen-Darm-Trakt gemeinsam haben. International tonangebend sind wiederum die sieben Festival-Kuratorinnen, die den Interviews nach auch in Zukunft hohe Wellen schlagen werden.
Einmalig ist schließlich unser Special für die Positionen #142: Die Komponistin Brigitta Muntendorf hat sich mit der Bildenden Künstlerin und angehenden Architektin Dagmar von der Ahe aus der Kunstakademie Düsseldorf zusammengetan, um ihre Transdigital Music Show Melencolia in jeden Haushalt zu bringen, wo man Positionen liest. Deshalb liegt diesem Heft eine einmalige, eigens für uns gestaltete 3D-Pop-Up-Karte bei, die euch dazu einlädt, selbst die Regie zu übernehmen: Zückt eure Smartphones, ladet euch die App herunter und bespielt das Bühnenbild dieser Karte, die voller Überraschungen steckt und euch erlaubt, die digitalen Wesen hinter den QR-Codes einen Platz in der echten Welt zu geben. Wenn der Welt die Opernhäuser genommen werden und einige gegen den Strom schwimmen müssen, dann bringen wir das Musiktheater einfach selbst auf die kleine Bühne – also: »Be mermaids, make waves!«
Viel Spaß beim Planschen, Eintauchen und Lesen wünschen
Patrick Becker & Bastian Zimmermann