Der Duft ist da!

I DER DUFT IST DA!

Bruno Mesz   Zeitgenössische osmosonische Kunst

Sandris Murins   Fünf Interviews – Komponist*innen zu ihrer Arbeit mit Düften: Gerhard Stäbler, Sara Glojnarić, Oswaldo Maciá, Bruno Mesz, Calliope Tsoupaki

Rachel S. Herz, Kai-Markus Müller & Sandris Murins   Vom Klang zum Duft: Neue Wege der multisensorischen Musik

Daniel Gianfranceschi   Unsichtbare Musik – Meo Fusciuni im Gespräch

Sven Schlijper-Karssenberg   iii: Exzellente Zusammenarbeit rund um ein offenes Ende – Zu Besuch bei der instrument inventors initiative in Den Haag

Henrik Friis   Der Komponist und Musiker Kaj Duncan David

II SPECIAL

Sara Glojnarić × Meo Fusciuni

III POSITIONEN

60. Biennale Arte, Venedig; Another Sky, London; Münchner Biennale; Die Politik des Kritischen Komponierens; New Music and Institutional Critique; Lisa Streich, Stockholm; Topographies, Berlin; Frank Gratowski & Maria de Alvear; Misfits Gaze, Vol. 2, Frankfurt; Spor, Arhus; Bridges Kammerorchester; DieOrdnungDerDinge & Franziska Seeberg, Berlin; Anthropocene, Salzburg; Florentina Holzinger, Schwerin; Simon Steen-Andersen, Kopenhagen; Moritz Eggert & Broken Frames Syndicate; Matter of Facts Studio, Frankfurt; Sara Glojnarić; Transart, Südtirol; Theodor Lessing; Roj osa; Elena Biserna

EDITORIAL

»Der Duft ist da!« – und das nicht erst seit gestern: Spätestens seit der englische Parfümeur Septimus Piesse 1858 auf die Idee kam, jedem Duft einen Ton der Tonleiter zuzuordnen, haben Komponist:innen versucht, zwischen Gerüchen und ihrer Musik Korrespondenzen zu schaffen. Bruno Mesz eröffnet diese Ausgabe mit einem Text über diese ›osmosonische Kunst‹, die ungeahnte kreative Energien freisetzt, obwohl vielen noch gar nichts von ihr unter die Nase gekommen ist.

Andere Sprachen haben es da leichter: »Französisch sentir heißt ›riechen‹, ›tasten‹ und ›empfinden‹ überhaupt«, schreibt 1925 Ernst von Hornbostel zur Synästhesie-Forschung, obwohl diesem Pionier der Wahrnehmungspsychologie eigentlich »gleichgültig« war, »durch welchen Sinn ich merke, daß ich im Dunkeln in den Schweinestall geraten bin«. Was sich bis heute dank Wissenschaft so alles getan hat, stellen uns Rachel Herz, Kai-Markus Müller und Sandris Murins vor, die selbst mit der Entwicklung ihrer Duftkameras und virtuellen Realitätsumgebungen »Luft von anderem Planeten« schnuppern.

Dabei ist die Nähe zwischen Musik und Duft nicht bloß schwer bestimmbar atmosphärisch: Für Positionen hat Murins fünf Komponist:innen interviewt, die mal kurze Ausflüge in die Welt der Gerüche gemacht, mal schon über 30 olfaktorische Werke produziert haben. So unterschiedlich die Herangehensweisen – sollen Düfte während einer Aufführung nach und nach versprüht werden wie in Gerhard Stäblers Die Nacht sitzt am Tisch oder darf man das Publikum auch mal mit einer Duftwolke übermannen wie in Calliope Tsoupakis Narcissus? –, so deutlich machen diese Erfahrungen, dass Gerüche längst legitimes Material für Komposition und Klangkunst geworden sind. Dann kann man auch mal ganz auf die Musik verzichten wie in Sara Glojnarićs Duftinstallation confession box oder mit Oswaldo Maciá von einer Zukunft träumen, in der sich Nachrichten aus aller Welt in der Zeitung ›erriechen‹ lassen.

Die Sprache hinkt der Kunst also hinterher; aber wie eine »Ausweitung des Vokabulars unserer Sinne« (Maciá) aussehen könnte, zeigt diese Ausgabe mit dem Special Sara Glojnarić × Meo Fusciuni: Ohne von seinen vielfältigen musikalischen Inspirationen zu wissen, assoziiert Glojnarić Musik und Klänge zu den 15 Nischen-Düften dieses italienischen Avantgarde-Parfümeurs. Wer hätte es gedacht: GTA V in Positionen before GTA VI! Und wem das immer noch nicht reicht, kann in diesem Heft selbst aktiv werden: María Zegna hat die beiden Düfte Inner und Outer Melancholy designt, die sich auf der Innenseite unseres Covers verstecken und darauf warten, gemeinsam mit der dazugehörigen Komposition Osmosonic Study No. 5 von Bruno Mesz gerochen zu werden. Hier können alle selbst zu Duft-Choreograf:innen werden!

Produktive Kollaborationen runden dieses Heft auch ab: Sven Schlijper-Karssenberg portraitiert die instrument inventors initiative in Den Haag und Henrik Friis spricht mit Kaj Duncan David über sein Album All Culture is Dissolving. Löst sich auf? Wohin? Vielleicht in eine Flüchtigkeit, die nur Musik und Duft noch einfangen können.

Viel Spaß beim Lesen, Sehen, Riechen und Hören wünschen

Patrick Becker, Andreas Engström & Bastian Zimmermann